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Zwei Weltrekorde auf einen Streich für Ingebrigtsen

Jakob Ingebrigtsen hat beim Hallen-Meeting in Liévin den eben erst aufgestellten Meilen-Halllen-Weltrekord verbessert und im Vorbeilaufen auch jenen über 1.500m.
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Jakob Ingebrigtsen ist der erste Läufer der Geschichte, der einen 1.500m-Lauf unter dem Hallendach in einer Zeit unter 3:30 Minuten absolviert hat. Dabei war dies beim Hallenmeeting in Liévin, als Mitglied der World Athletics Indoor Tour Gold seit Jahren das wohl am besten besetzte Hallenmeeting Europas, gar nicht sein Hauptziel. Der Norweger zielte auf eine Verbesserung des Meilen-Weltrekords in der Halle (offiziell Short Track) ab und schaffte dies in einer Zeit von 3:45,14 Minuten. Jenen über 1.500m nahm er im buchstäblichen Vorbeilaufen mit.

Fünf Tage, nachdem Yared Nuguse den Weltrekord über die Meile in New York auf eine Zeit von 3:46,63 Minuten verbessert hat (siehe RunUp.eu-Bericht), hat Jakob Ingebrigtsen diesseits des Atlantiks die angekündigte Antwort darauf eindrucksvoll gegeben. Die Verbesserung des Hallen-Weltrekords über die Meile war das erste seiner großen Wettkampfziele für 2025. Beim einzigen Auftritt vor den Hallen-Meisterschaftshöhepunkten im März steigerte der Norweger den Bestwert um eineinhalb Sekunden auf eine Zeit von 3:45,14 Minuten.

Es ist eine schier fantastische Zeit, nur zwei Sekunden langsamer als der bald 26 Jahre Freiluft-Weltrekord von Hicham El Guerrouj. Ein geringer Unterschied angesichts der natürlichen Nachteile eines Hallen-Wettkampfs mit den doppelt so vielen und noch dazu engeren Kurven. Nur die marokkanische Lauflegende, der Kenianer Noah Ngeny, Ingebrigtsen als Europarekordhalter selber, Nuguse und der algerische Star früherer Zeiten, Noureddine Morceli, sind jemals im Freien schneller über die Meile gelaufen als Ingebrigtsen gestern Abend beim Höhepunkt des Meetings im Norden Frankreichs.

Meeting Hauts-de-France Pas-de-Calais Trophée EDF

Ein Präzisionswerk

Es war eine Machtdemonstration und dieses Statement war dem 24-Jährigen wohl auch besonders wichtig. Die Tempomacher Filip Sasinek und Pieter Sisk führten ihn zu einer 1.000m-Durchgangszeit von 2:20,49 Minuten. Damit lag der Norweger im virtuellen Vergleich zum Weltrekord praktisch gleich auf. Doch im Vergleich zu Nuguse, der in New York Konkurrenz von gleich einer Reihe starker Athleten im Rücken hatte, gelang es Ingebrigtsen in seiner unnachahmlichen Weise, alleine laufend die Pace hochzuhalten. Mit einer Geschwindigkeit von rund 26 km/h zauberte er eine tiefe 28er Runde, dann eine unglaubliche vorletzte Runde von 27,66 Sekunden auf die Bahn, die sogar einen Tick schneller war als seine Schlussrunde. Die Zeit von 3:45,14 Minuten war das statistische Ergebnis eines fantastischen Gesamtwerks.

Die 100m-Splits von Jakob Ingebrigtsen: 14,15 / 14,07 (28,22) / 14,13 / 14,04 (28,17) / 13,90 / 14,18 (28,08) / 14,03 / 14,05 (28,08) / 13,88 / 14,06 (27,94) / 14,03 / 13,87 (27,90) / 13,84 / 13,84 (27,68) / 13,56 / 14,51 (109,344m) Sekunden (29,07) (in Klammer die Rundenzeiten, 200m)

„Ich habe Nuguses Lauf nicht live gesehen. Als professioneller Athlet wäre das unseriös von mir, schließlich war das Rennen mitten in der Nacht europäischer Zeit. Aber ich habe seine Leistung registriert. Die Leistung der anderen motivieren mich aber nicht, ich bleibe fokussiert auf mich selbst. Heute lief alles nach Plan, ein perfektes Rennen. Genau das hab ich gebraucht“, lautete das Statement des Norwegers nach dem Rennen. Es war sein erstes über die Meile auf einer 200m-Bahn. Dass er bei der 1.500m-Durchgangszeit fast eine Sekunde unter seinem, ebenfalls in Liévin aufgestellten, 1.500m-Hallen-Weltrekord blieb, zeigt auch die Entwicklung, die das skandinavische Wunderkind weiterhin nimmt. Offenbar hat er in einer Saisonvorbereitung noch nie so viel und so hart trainiert wie in diesem Winter.

Ingebrigtsen zog ein Rennen im Takt einer zeitlichen Präzision durch, die verblüffte. Let’sRun.com schrieb: „Das war eine Lektion brutaler Effizienz, die nur aufgrund der überlegenen aeroben Kapazität Ingebrigtsens und der Hilfe der Wavelights auf der Innenbahn möglich war.“ Beachtlich war auch der Abstand zur Konkurrenz: Stefan Nillesen hatte im Ziel trotz eines neuen holländischen Hallenrekords siebeneinhalb Sekundenrückstand auf den Sieger und wurde vor dem Iren Cathal Doyle Zweiter. Keine Frage, der Wettkampf war ausgerichtet auf einen Alleingang des Olympiasiegers im 5.000m-Lauf. Seine Hauptkontrahenten waren nicht in der Halle, dürften das Statement Ingebrigtsens aber mitbekommen. „It’s fucking crazy what Jakob just did“, sagte etwa „Augenzeuge“ Nillessen. „Er hat den Weltrekord allen angekündigt und hält dann den Druck stand. Verrückt!“

Fern der Familie

Ingebrigtsen war der große Star des Meetings, das wurde bei der Pressekonferenz im Vorfeld trotz der Anwesenheit anderer großer Persönlichkeiten der Leichtathletik deutlich. Dem norwegischen Fernsehsender TV2 gab er ein ausführliches Interview, indem Ingebrigtsen, der sich sportlich in rivalisierenden Fehden mit seinen Hauptkontrahenten befindet, allen voran Josh Kerr, der ihn zuletzt wieder massiv attackierte, lieber über Themen abseits des Spitzensports sprach. Und den Fokus auf die Familie lenkte. „Ein Spitzensportler zu sein, meint, ständig auf Reisen zu sein. Es ist umso schöner, wenn mann dann nach Hause kommen kann und seine Zeit mit der Familie verbringen kann.“

Vergangenen Sonntag war in Norwegen Muttertag, der erste für seine Frau Elisabeth. Jakob verpasste ihn durch Abwesenheit, Elisabeth teilte in sozialen Netzwerken, wie ihr Mann ihr ein Frühstück vor die Haustür bestellte. „Das war eine kleine Geste im Namen von Filippa. Das ist das Mindeste, wenn ich schon nicht daheim sein kann“, sagte Ingebrigtsen in Liévin.

Die weiteren Laufentscheidungen in Liévin

🇪🇹 Auch im 3.000m-Lauf der Frauen hoffte der Veranstalter auf einen neuen Weltrekord durch Gudaf Tsegay. Orientierungsmarke war die Zeit von Genzebe Dibaba vom Hallenmeeting in Stockholm 2014, 8:16,60 Minuten. Ihre Landsfrau war dieser Marke schon zweimal bedrohlich nahe gekommen: in Birmingham 2023 und in Liévin 2024. Doch an diesem Abend konnte Tsegay das Tempo von der Spitze nicht hoch genug halten. Freweyni Hailu folgte ihr und konterte eineinhalb Runden vor dem Ende. Tsegay konnte nicht mehr folgen, Hailu erzielte in einer Zeit von 8:19,98 Minuten die viertschnellste der Geschichte über diese Distanz in der Halle. Ihre Kontrahentin brach im finalen Umlauf ein und riss noch einen Rückstand von fünf Sekunden auf. „Ich weiß nicht, was passiert ist. Das war nicht das, was ich erhofft habe“, analysierte sie kurz und knapp. Fünf Sekunden hinter Jungstar Birke Haylom pulverisierte Nadia Battocletti ihren eigenen italienischen Rekord und stellte ihn auf eine Zeit von 8:30,82 Minuten, fast fünf Sekunden unter dem italienischen Outdoor-Rekord von Roberta Brunet. Maureen Koster in 8:33,67 Minuten lief bis auf knapp drei Sekunden an den holländischen Rekord von Sifan Hassan heran.

🇳🇱 Eine Sternstunde vollbrachte Europas neuer Laufstar Niels Laros im 3.000m-Lauf der Männer. Der 19-Jährige übernahm in einem Starterfeld, das u.a. den zweifachen Hallen-Weltmeister über die halbe Distanz, Samuel Tefera, und einen der schnellsten Läufer über diese Distanz aller Zeiten, Getnet Wale, enthielt, selbstbewusst bereits knapp zwei Minuten vor der Zielankunft die Führung und hielt das Tempo so hoch, dass er nicht mehr überholt wurde. Mit einer Zeit von 7:29,49 Minuten schob er sich auf Position drei der ewigen europäischen Bestenliste in dieser Disziplin unter dem Hallendach und verpasste die europäische Jahresbestleistung des Briten George Mills nur knapp.

Gut drei Wochen vor den Heim-Titelkämpfen in Apeldoorn scheint der Teenager somit in Topform. Der 18-jährige Äthiopier Biniam Mehary und die beiden genannten Stars liefen hinter dem Europäer ins Ziel. Es war Laros’ bester Wettkampf der Karriere laut Performance Score noch vor seinem sechsten Platz bei den Olympischen Spielen von Paris im 1.500m-Lauf. Mehary verbesserte den zwölf Jahre alten Junioren-Weltrekord in der Halle seines Landsmanns Hagos Gebrhiwet auf eine Zeit von 7:29,99 Minuten.

Im 3.000m-Lauf startete auch Jakobs älterer Bruder Filip, der auf Platz neun ins Ziel kam. Der ehemalige Europameister im 1.500m-Lauf sagte im Vorfeld im norwegischen Fernsehen, zum ersten Mal seit langer Zeit schmerzfrei zu sein. Am vergangenen Wochenende hatte er bei einem kleinen Meeting im finnischen Espoo das Hallen-EM-Limit über 3.000m erfüllt und dabei den norwegischen Hallenrekord von Narve Gilje Nordas nur um eine Sekunde verpasst.

🇧🇪 Nachdem der amtierende Hallen-Weltmeister Bryce Hoppel sich am Samstag in New York überraschend seinem Landsmann Josh Hoey geschlagen geben musste, fand der US-Amerikaner auch in Liévin seinen Meister. Der traditionell in der Halle starke Elliot Crestan aus Belgien gewann den Wettkampf in einer Zeit von 1:44,81 Minuten knapp vor seinem Kontrahenten aus Übersee und setzte seine beeindruckende Erfolgsserie in diesem Winter fort. Der 24-Jährige, im Vorjahr Hallen-EM-Bronzemedaillengewinner, überholte Hoppel gut 100 Meter vor dem Ziel und hielt den Vorsprung auch auf der Zielgerade. Es war der zweite Erfolg für ihn bei Gold-Meetings nach jenem in Ostrava. Bei seinem sechsten Start in Folge in Liévin gelang der zweite Sieg nach 2024. Auch der Algerier Slimane Moula, am Samstag noch Sieger im 800m-Lauf von Metz, gehörte als Dritter wie auch der Franzose Yanis Meziane, zuletzt in Metz mit französischer Bestleistung über 600m, zu den Geschlagenen im Feld.

🇪🇹 Die chronologisch letzte Entscheidung des Meetings war nicht Ingebrigtsens Weltrekordlauf, sondern der 1.500m-Lauf der Frauen. Nach enormem Anfangstempo übernahm Diribe Welteji früh die Regie und führte mit deutlichem Abstand vor einem Trio an Landsfrauen. Die 22-Jährige beendete ihren Lauf in einer neuen Weltjahresbestleistung von 3:58,89 Minuten, freilich fernab ihrer persönlichen Hallen-Bestleistung aus dem letzten Jahr. Es war der fünfte äthiopische Sieg in Folge in dieser Halle über diese Distanz und das ein deutlicher. Über fünf Sekunden Rückstand hatte Habitam Alemu, über sechs Worknesh Mesele, die Rang drei vor der besten Europäerin, Salomé Afonso aus Portugal, absicherte.

🇫🇷 Im 1.500m-Lauf der Männer duellierten sich Azzedine Habz aus Frankreich und Isaac Nader aus Portugal auf hohem Niveau um den Sieg. Habz setzte sich letztlich mit drei Zehntelsekunden Vorsprung in einer Zeit von 3:32,29 Minuten durch und verpasste seinen eigenen französischen Hallenrekord, vor fünf Tagen in New York gelaufen, um einen Wimpernschlag. Nader dagegen verbesserte seinen portugiesischen Hallenrekord deutlich. Der Deutsche Marius Probst verpasste neuerlich das Hallen-EM-Limit von 3:37,00 Minuten.

Im 800m-Lauf der Frauen gewann die äthiopische Hallen-Weltmeisterin Tsige Duguma das Duell gegen die Südafrikanerin Prudence Sekgodiso in einer Spitzenzeit von 1:59,02 Minuten. Jemma Reekie war chancenlose Dritte, die Deutsche Majtie Kolberg führte als Fünfte eine bisher tolle Hallensaison fort. Die Schweizerin Audrey Werro kam auf Platz sechs ins Ziel.

Autor: Thomas Kofler
Bild: © Gerd Altmann / Pixabay

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