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Wenn Mo Farah am Ende der Saison von der großen Bühne der Stadionleichtathletik abtritt, verliert der britische Laufsport seinen erfolgreichsten Läufer aller Zeiten. Doch für die Zukunft scheint der britische Laufsport bereits gerüstet, denn mit Laura Muir steht die designierte…
Wenn Mo Farah am Ende der Saison von der großen Bühne der Stadionleichtathletik abtritt, verliert der britische Laufsport seinen erfolgreichsten Läufer aller Zeiten. Doch für die Zukunft scheint der britische Laufsport bereits gerüstet, denn mit Laura Muir steht die designierte Nachfolgerin für die „Post-Farah-Ära“ nicht nur ante portas, die 24-jährige will bei ihren zweiten Weltmeisterschaften bereits nach dem großen Coup greifen. Als „neue Kelly Holmes“, wenn alle Träume in Erfüllung gehen sollten. Holmes hat den Olympischen Spielen 2004 in Athen mit Doppel-Gold auf den beiden Mittelstrecken den Stempel aufgedrückt, die britischen Lauffans träumen von zwei Goldmedaillen für Laura Muir im 1.500m-Lauf und im 5.000m-Lauf. Sie ist die große Hoffnung des britischen Leichtathletik-Verbandes (UK Athletics), was den Laufsport der Damen betrifft. „Laura hat die Klasse, wie sie nur einmal pro Generation auftaucht“, lobt Sportdirektor Neil Black in der britischen Tageszeitung „The Guardian“.
„Ich denke, ich habe bereits gezeigt, dass ich die Fähigkeiten habe, beide Distanzen gut zu laufen. Der Zeitplan in London lässt den Doppelstart zu, die Regeneration dazwischen reicht aus“, ist sie laut eines Berichts der BBC überzeugt, mit dem Doppelstart alles richtig gemacht zu haben. „Bei einer Heim-WM anzutreten, das ist eine einmalige Chance in meiner Karriere. Und die gilt es bestmöglich auszunützen“, lautete das Credo. Gleichzeitig versucht sie die hohe Erwartungshaltung etwas zu drosseln: „Ich werde 100% aus meinem Körper holen und werde stolz auf mich sein. Wenn ich eine Medaille gewinne, wäre das ein fantastisches Ergebnis.“
Es passt zum Naturell Laura Muirs, dass sie sich mit einem Pfeil im Köcher nicht zufrieden gibt, sondern in London gleich zwei Attacken auf Edelmetall reitet. Keine totale Fokussierung auf eine Distanz, sondern Vielfalt. In Sachen Ehrgeiz und großem Selbstbewusstsein kann der Schottin kaum jemand etwas vormachen. „Sie ist der Überzeugung, dass keine Gegnerin sie schlagen kann. Das kann bei einer WM entscheidend sein“, hat IAAF-Präsident Sebastian Coe wohlwollend beobachtet. „Ich mag den Weg, den sie beschreitet.“
Die Risiko-Taktik im Olympischen Finale, alles für Gold zu geben anstatt die vermeintlich leichtere Aufgabe, die Bronzemedaille hinter Faith Kipyegon und Genzebe Dibaba abzusichern, passt ebenfalls zum Charakter der 24-Jährigen, die mit ihrem schottischen Trainer Andy Young eines der interessantesten Athleten-Trainer-Gespanne in der weltweiten Leichtathletik bildet. Die erste Etappe des gemeinsamen Weges ist erfolgsversprechend für die Zukunft: Fünfter Platz bei der WM in Peking, einige britische Rekorde (darunter der über 1.500m), erste britische Siegerin in der Diamond League auf einer Laufdistanz und erste britische Siegerin des Diamond Race in einer Laufdisziplin. Dazu die Fähigkeit, nach großen Rückschlägen wieder aufzustehen. Den Weg beschreitet die aus der kleinen Ortschaft Milnathort stammende Muir übrigens zweigleisig. Neben der sportlichen Karriere treibt sie ihr Veterinärstudium in beeindruckender Geschwindigkeit voran, in ihrem Leben haben zwei Leidenschaften genügend Platz.
Andy Young hält riesige Stücke auf seinen Schützling und ist überzeugt, dass Laura Muir die Weltspitze im Mittelstreckenlauf in den kommenden Jahren entscheidend mitgestalten kann. „Ich habe noch nie eine Läuferin mit dieser Art von Fähigkeiten gesehen“, schwärmt er. „Vor vielen Jahren habe ich mit Paula Radcliffe trainiert. Sie hatte offensichtlich einen starken Motor, aber konnte keine hohen Drehzahlen erreichten. Wenn man Kelly Holmes anschaut, hatte sie eine hohe Drehzahl und dementsprechend Geschwindigkeit, aber ihr fehlte dieser Motor. Laura hat aber beides!“ Neben den biologischen Voraussetzungen stimmen mittlerweile auch die mentalen: „Als ich sie 2011 kennengelernt habe und sie in meine Trainingsgruppe kam, vermied sie im Training, über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen. Im American Football würde man sagen, sie ging nicht in die ,Red Zone’. Es hat eineinhalb Jahre lang gedauert, bis wir diese Fähigkeit auch für die Trainingsarbeit automatisiert haben. Seither läuft sie im Wettkampf um Klassen besser“, so Young weiter, dem Muir, wie sie sagt, „zu 100%“ vertraut.
Bereits am ersten Wettkampftag – noch vor dem großen 10.000m-Finale mit Mo Farah – begrüßen die briitschen Leichtathletik-Fans erstmals ihren weiblichen Laufstar im Olympiastadion. Die Vorläufe über 1.500m stehen an, eine Art Einlaufen für die Stars. Denn die sechs Schnellsten pro Vorlauf plus weitere sechs Läuferinnen steigen ins Halbfinale auf. Die Schottin tritt unter anderem gegen die ehemalige Weltmeisterin Jennifer Simpson und die Weltjahresschnellste Sifan Hassan an – ein erstes wichtiges Abtasten mit den Rivalinnen um Edelmetall im Finale am Montagabend.
Kleine Fragezeichen stehen hinter einem Ermüdungsbruch im Fuß im Mai, der Muir zu einer längeren Trainingspause gezwungen hat. Laut eigenen Angaben sei sie immer positiv geblieben, was ihr im Regenerationsprozess von der Verletzung sehr geholfen habe. Bei den ersten Wettkämpfen nach dem Comeback zeigte die Formkurve aber kräftig nach oben, die Zeit reichte wohl aus, um sich beim Trainingslager in Font Romeu in den Pyrenäen rechtzeitig in die WM-Topform zu bringen. „Die Rückmeldungen, die der Fuß unter Höchstbelastungen gibt, sind positiv. Ich verspüre keine Schmerzen und kann normal laufen“, sagte Muir der BBC. Dass der Druck enorm ist, ist keine Frage, denn die Leistungen Muirs haben die Erwartungshaltung in Großbritannien deutlich gehoben. Und außerdem gibt es für sie selbst eine Scharte auszuwetzen: Ausgerechnet bei den Commonwealth Games vor heimischem Publikum in Glasgow zeigte die damals 20-Jährige eine enttäuschende Leistung.
Die Vorläufe im 1.500m-Lauf der Damen beginnen um 20:35 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Muir läuft übrigens wie die deutsche WM-Debütantin Hanna Klein im zweiten von drei. Insgesamt sind 49 Läuferinnen am Start. Vorlauf eins verspricht ein spannendes Duell zwischen Titelverteidigerin Genzebe Dibaba und 800m-Dominatorin Caster Semenya. Die herausragenden Namen im dritten Vorlauf sind Olympiasiegerin Faith Kipyegon und Deutschlands Supertalent Konstanze Klosterhalfen.
Der Zeitplan der WM
IAAF Weltmeisterschaften 2017 in London