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WM 2017: 10.000m-Lauf der Damen, Vorschau: Zwei äthiopische Superstars

In der Geschichte von Leichtathletik-Weltmeisterschaften war keine Nation im 10.000m-Lauf der Damen erfolgreicher als Äthiopien, das seit 1999 sechsmal die Goldmedaille in der längsten Laufdisziplin auf der Bahn holte. Einen großen Anteil an dieser Bilanz hat Tirunesh Dibaba, die gleich…

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In der Geschichte von Leichtathletik-Weltmeisterschaften war keine Nation im 10.000m-Lauf der Damen erfolgreicher als Äthiopien, das seit 1999 sechsmal die Goldmedaille in der längsten Laufdisziplin auf der Bahn holte. Einen großen Anteil an dieser Bilanz hat Tirunesh Dibaba, die gleich dreimal WM-Gold holte und in London ein überraschendes Comeback auf der Bahn feiert. Auch hinter Olympiasiegerin Almaz Ayana, die direkt von einer längeren Verletzungspause zurückkehrt, schweben Fragezeichen der Ungewissheit. Dank der in Vergangenheit nachgewiesenen Leistungsfähigkeit der beiden scheint sich die Favoritenrolle dennoch auf den Schultern der beiden fest verankert. Aber Ungewissheit bringt immer Chancen für die Konkurrenz.
 
Bewerb: 10.000m-Lauf der Damen
Startzeit: Samstag, 5. August um 20:10 Uhr (21:10 Uhr MEZ)
Olympiasiegerin 2016: Almaz Ayana (Äthiopien) *
Weltmeisterin 2015: Vivian Cheruiyot (Kenia) **
Rekord-Weltmeisterin: Tirunesh Dibaba (Äthiopien, 3 WM-Titel)
Erfolgreichste Nation: Äthiopien (sechs WM-Titel)
WM-Rekord: Berhanu Adere (Äthiopien) in 30:04,18 Minuten (Paris 2003)
Weltjahresbestleistung 2017: Gelete Burka (Äthiopien) in 30:40,87 Minuten (Hengelo)
Favoritinnen: Almaz Ayana (Äthiopien), Tirunesh Dibaba (Äthiopien)
* Weltrekord
** in London nicht dabei
 

© Getty Images / Ian Walton
© Getty Images / Ian Walton
Langes Warten, wenig Informationen

29:17,45 Minuten – eine Zahl wie ein Gedicht, wenn man 25 lange Runden im Stadion anstrebt. Mit dieser Fabelzeit, die einen alten Weltrekord aus den Geschichtsbüchern löschte, holte Almaz Ayana in Rios Mittagshitze die Olympische Goldmedaille. Diese Sternstunde ist nun fast ein Jahr vergangen, von Almaz Ayana hat man seit Anfang September, als sie in Brüssel den Sieg im Diamond Race 2016 (5.000m) fixierte, nichts mehr gesehen. Danach ging es erst einmal in die wohl verdiente Wettkampfpause, die bisherige Saison fiel einer Verletzung zum Opfer. Von dieser ominösen Verletzung ist wenig bekannt, einzig, dass sie als Begründung für mehrere hochkarätige und recht kurzfristige Absagen diente. Ebenfalls kurios ist eine weitere Episode: Ein Antreten beim Diamond League Meeting in Monaco soll der äthiopische Verband verhindert haben. Ayana durfte das äthiopische Trainingslager zur Vorbereitung auf die WM nicht verlassen. Daher sind Spekulationen über den Gesundheitszustand und die aktuelle Form Ayanas dringlich, aber unsinnig. Passende Antworten wird die 25-Jährige erst am Samstagabend in London geben können.

Blitz-Comeback
Tirunesh Dibaba holte bei den Olympischen Spielen die Bronzemedaille. © Getty Images / Alexander Hassenstein
Tirunesh Dibaba holte bei den Olympischen Spielen die Bronzemedaille. © Getty Images / Alexander Hassenstein
Dass der äthiopische Verband Almaz Ayana einen Fixplatz für das WM-Team reserviert, selbst wenn Ayana nicht in Topform anreist, ist aufgrund des Olympischen Glanz‘ von Rio nachvollziehbar. Die Nominierung einer anderen großen Athletin war dagegen eine Sensation. Tirunesh Dibaba, die in Rio in persönlicher Bestleistung von 29:42,56 Minuten zur Bronzemedaille gelaufen ist, hatte sich laut eines längerfristigen Plans nach diesem Rennen von der Bahn verabschiedet. Die Konzentration auf den Marathon war von Erfolg gekrönt. Beim London Marathon demontierte sie den äthiopischen Landesrekord und musste sich in einer Weltklassezeit von 2:17:56 Stunden nur hinter der alles überragenden Kenianerin Mary Keitany einreihen. Mit diesem gewaltigen Erfolg schien klar, wo die Zukunft der 32-Jährigen liegen würde. Folgerichtig galt sie wochenlang als die Nummer eins im äthiopischen WM-Aufgebot für den Marathon, in den sie somit als haushohe Favoritin gestartet wäre. Erst bei der endgültigen Nominierung ließ Äthiopiens Verband die Katze aus dem Sack und überraschte die Leichtathletik-Welt mit dem Blitz-Comeback des Superstars auf den 10.000m.
Vielleicht gab Dibaba einem lukrativen Angebot eines großen City-Marathons im Herbst den Vorzug gegenüber einem Marathonstart bei der WM – sie wäre nicht die erste. Vielleicht aber sah der erfahrene Star durch die unsichere Situation rund um Almaz Ayana eine vorzügliche Chance auf WM-Gold Nummer vier in dieser Disziplin (zwei im 5.000m-Lauf hat sie auch im Trophäenschrank). Schließlich hat sich Titelverteidigerin Vivian Cheruiyot endgültig dem Straßenlauf verschrieben. Wie gut vorbereitet Dibaba aus dem Marathon-Training, das sie seit Olympia vorwiegend absolvierte, in einen 10.000m-Lauf geht, wird ebenfalls erst im Rennen einwandfrei sichtbar. In einem Interview im Olympic Channel zeigte sie sich hungrig auf den Erfolg. Die Klasse hat die vielleicht größte Langstreckenläuferin auf der Bahn aller Zeiten auf jeden Fall.

Sinnfrage nach den Trials

Die Nominierung Dibabas war nicht die einzige Überraschung, die der äthiopische Verband sich leistete. Vom als Trials ausgeschriebenen Rennen in Hengelo ist keine der drei schnellsten Läuferinnen nominiert: weder die Weltjahresschnellste Gelete Burka, noch Senbere Teferi, in Peking Vize-Weltmeisterin über die halbe Distanz, noch Belaynesh Oljira. Dafür komplettiert die damals viertplatzierte Dera Dida, ein 20-jähriges Talent, das WM-Team. Burka reagierte auf die Ausbootung wenig verständnisvoll: „Ich bin ziemlich verärgert. Das schlimmste ist, niemand hat mir eine Erklärung gegeben“, schimpft die 31-Jährige in der spanischen Sportzeitung Marca. Laut eigenen Angaben hätte sie ihre Abwesenheit bei den äthiopischen Meisterschaften im Mai mit einem medizinischen Zertifikat belegt, da sie sich zu jener Zeit von einer Muskelverletzung erholte. Dass der Sieg bei den „Trials“ in Hengelo nichtig sein würde, davon hätte sie nicht einmal geträumt. Und daher gab’s zum Abschluss des Interviews auch einen Angriff auf Haile Gebrselassie, Präsident des äthiopischen Verbandes. „Ich habe bisher immer geglaubt, er sei eine große Persönlichkeit und ein Vorbild.“

Kenia in Außenseiterposition

Das junge kenianische WM-Trio steht vor einer schwierigen Aufgabe, die jüngsten Erfolge bei Weltmeisterschaften von Vivian Cheruiyot oder Linet Masai zu wiederholen. Die stärkste Läuferin aus Kenia ist ganz eindeutig Alice Aprot, die einzige im Feld neben den äthiopischen Stars in ihrer Karriere bereits unter 30 Minuten gelaufen ist. Das war ebenfalls bei diesem wahnsinnig schnellen Olympia-Rennen von Rio und sie war durch ihre engagierte Tempoarbeit in der ersten Rennhälfte hauptverantwortlich für die fabelhaften Zeiten. Sie selbst verpasste eine Belohnung und wurde sehr unglückliche Vierte. In London ist die Afrikameisterin aber eine Medaillenkandidatin, auch wenn gute Resultate im laufenden Kalenderjahr spärlich sind. Die beiden weiteren Kenianerinnen Agnes Tirop und Irene Cheptai sind bisher vor allen Dingen durch ihre Crosslauf-WM-Titel aufgefallen, haben aber natürlich das läuferische Potenzial, um Medaillen mitzukämpfen. Von den Saisonbestleistungen, mit denen das kenianische Trio auf den Rängen 14, 16 und 17 liegen (und da sind Ayana und Dibaba gar nicht dabei, weil sie in dieser Saison noch kein Rennen bestritten haben, Anm.), darf man sich jedenfalls nicht täuschen lassen.

Starke US-Amerikanerinnen und Can mit Chance auf Spitzenplätze

Bei den letzten vier Weltmeisterschaften gab es nur eine einzige Medaille, die nicht nach Äthiopien oder Kenia ging. Die holte die US-Amerikanerin Emily Infeld in Peking auf eine besonders kuriose Art und Weise. Sie schlüpfte im allerletzten Augenblick des Rennens noch an ihrer Landsfrau Molly Huddle vorbei, die für einen viel zu frühen Jubel bitter bestraft wurde. Beide haben sich auch für die WM in London qualifiziert und bilden gemeinsam mit Emily Sisson ein starkes US-Trio, das geschlossen für vordere Platzierungen gut ist. Huddle lief in Rio einen US-Rekord und wurde hervorragende Olympia-Sechste.
Aus europäischer Sicht hat Europameisterin Yasemin Can die besten Chancen auf eine Spitzenplatzierung. Die kenianisch stämmige Türkin, nach wie vor zarte 20 Jahre jung, könnte wie die Amerikanerinnen sogar Richtung Medaille schielen, falls bei den beiden Top-Nationen nicht alles nach Plan läuft. Denn andere afrikanische Nationen haben keine namhaften Athletinnen im Rennen. Mit einer guten Vorleistung kommt die bisher unbekannte Desi Mokonin, die den Bahrain vertritt, nach London. Sie ist mit 20 Jahren und 23 Tagen die Jüngste im Feld. Aus europäischer Sicht hoffen die Schwedin Sara Lahti, die Portugiesin Sara Moreira, ihres Zeichens Europameisterin im Halbmarathon, die Holländerin Susan Krumins und Lokalmatadorin Jess Andrews auf ein gutes Abschneiden. Mit Lanni Marchant und Natasha Wodak bzw. Eloise Wellings und Madeline Hills, eine ehemalige Hindernislauf-Spezialistin, schicken auch Kanada und Australien bekannte Duos ins Rennen. Insgesamt stehen 36 Läuferinnen aus 20 Ländern auf der Startliste.
 
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IAAF Weltmeisterschaften 2017 in London

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