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Die mit Abstand beeindruckendste Visitenkarte im Elitefeld der Frauen des 40. Vienna City Marathon kann Visiline Jepkesho vorweisen. Die Kenianerin hat 2016 den Paris Marathon gewonnen, zwei Jahre später siegte sie beim Klassiker in Rotterdam und in Ljubliana. Diese beeindruckenden Erfolge, die etliche weitere Spitzenplatzierungen bei wichtigen Marathons weltweit beinhalten, unter anderem der vierte Platz in Paris 2017 mit ihrer persönlichen Bestleistung von 2:21:37 Stunden, etablierten sie zu einer bekannten Persönlichkeit im Laufsport. Um bei der hochkarätigen Konkurrenz im kenianischen Laufsport für Olympische Marathonläufe nominiert zu werden, muss man zur „Crème de la Crème“ der globalen Szene gehören – Jepkesho war 2016 in Rio dabei und bestritt außerdem zwei WM-Marathons. In einer Hauptrolle abseits des Laufsports agierte sie im 2019 veröffentlichten, dänischen Film „Run Like A Girl“. Er thematisiert ihren Weg aus der Armut, die Verantwortung und Konflikte als Läuferin in einer männlich dominierten Gesellschaft.
Jepkesho, die in jungen Jahren vom in der Laufszene berühmten irischen Mönch Brother Colm O’Connell, der in Iten ein Trainingscamp mit Schule betreibt und über Jahre und Jahrzehnte eine große Zahl an kenianischen Läuferinnen und Läufern gefördert hat, maßgeblich unterstützt wurde, ist zweifache Mutter. Ihr ältester Sohn ist elf Jahre alt. Ihre internationale Laufkarriere nahm nach seiner Geburt Fahrt auf, der Sieg beim Mailand Marathon 2014 war der Auftakt einer beeindruckenden Laufbahn. Die vergangenen drei Jahre blieb Jepkesho aufgrund einer Babypause von Wettkämpfen fern, ihr zweiter Sohn ist heute ein Jahr und sieben Monate alt. „In der afrikanischen Lebensweise wird erwartet, die Betreuung der Kinder sowie die familiären Verpflichtungen auf der einen und das Lauftraining auf der anderen Seite unter einen Hut zu bringen“, berichtete die 33-Jährige, „Das erfordert ein gewisses Maß an Flexibilität!“ Ihr Ehemann, ein Priester in der anglikanischen Kirche und Lehrer, unterstützt sie, dazu beschäftigt sie eine Nanny für die Betreuung ihrer Söhne, um die notwendige Trainingszeit einplanen zu können. In Vorbereitung auf den VCM lief die Kenianerin den Guadalajara Halbmarathon in Mexiko in einer Zeit von 1:12:18 Stunden, für den Vienna City Marathon verkündete sie höhere Ziele.
Jepkesho ist der prominente Name in einem leistungsstarken Elitefeld, das einen spannenden Wettkampf um den Sieg und schnelle Marathonzeiten verspricht. Wie die 33-Jährige kehrte auch ihre Landsfrau Magdalyne Masai vor einem halben Jahr von einer Babypause zurück, der VCM wird ihr zweiter Marathon seither. Die 29-Jährige, die mit dem neuseeländischen Marathonläufer Jake Robertson, der seit 14 Jahren in Iten lebt, verheiratet ist, feierte ihren größten Sieg beim Toronto Marathon 2019 und hält bei einer Bestleistung von 2:22:16 Stunden.
Ihr Lauftalent ist sichtbar auch eine genetische Frage, in der großen Familie mit neun Kindern hat sich eine beeindruckende Liste an Lauferfolgen angesammelt. Ihre ältere Schwester Linet Masai gewann 2009 in Berlin die WM-Goldmedaille im 10.000m-Lauf. Ihr Bruder Moses Masai wurde beim selben Großereignis Dritter über dieselbe Distanz. Magdalyne Masai, die mit einer beachtlichen Halbmarathon-Bestleistung auf der Punkt-zu-Punkt-Strecke von Rom an den antiken Hafen Ostia von 1:07:07 Stunden eine glänzende Generalprobe für den VCM abgelegt hat, hat die Nominierung für die WM in Budapest als persönliches Ziel ausgegeben. Für die kenianische Auswahl ist weit mehr als die Erbringung des internationalen Limits von 2:28:00 Stunden notwendig, ein Sieg beim mit dem „Elite Label Road Race“ von World Athletics ausgezeichneten Marathon in Wien wäre ein stichhaltiges Argument.
Die Spitzengruppe, die um den Sieg beim VCM kämpft, ergänzen die Kenianerinnen Rebecca Tanui, Siegerin des San Sebastian Marathon 2022, Agnes Keino, die im Herbst 2022 den München Marathon gewonnen hat, dessen Siegesprämie ihr und ihrer Familie den Traum vom eigenen Haus realisiert hat, und Caroline Jepchirchir sowie die äthiopische Siegerin des Hamburg Marathon 2021, Gadise Mulu.
Die stärkste europäische Läuferin im Feld ist die Polin Angelika Mach, die Ende Februar den Napoli City Halbmarathon gewonnen hat und beim Triumph ihrer Landsfrau Alexandra Lisowska 19. beim EM-Marathon 2022 in München war. Sie läuft in einer interessanten Gruppe u.a. mit dem kanadischen Talent Branna MacDougall, die ihren dritten Marathon anvisiert. Die 24-jährige Master-Studentin in Engineering ist die erst zweite kanadische Marathonläuferin überhaupt, die vor ihrem 25. Geburtstag eine Marathonzeit unter 2:30 Stunden erzielt hat. Von kanadischen Medien wird sie bereits als Nachwuchs-Marathon-Star bezeichnet. „Ich sehe mich nicht als ,Rising Star’, aber in der kanadischen Marathonszene bin ich so etwas wie ,The Rising One’“, schilderte die ältere Schwester der Mittelstreckenläuferin Brogan MacDougall bei einem selbstbewussten Auftritt im Rahmen der Pressekonferenz. Ihr erster Marathon außerhalb Nordamerikas, insgesamt läuft sie zum dritten Mal einen Wettkampf in Europa, ist für sie ein wichtiger Karriereschritt, wenn die Zielsetzung einer neuen Bestleistung gelingt: „Ich habe große Ziele für meine Laufbahn und mir ist bewusst, dass es ein weiter Weg ist. Aber natürlich ist eine Olympia-Teilnahme im Marathon mein großes Ziel.“
In einer weiteren Gruppe bestreitet die beste Österreicherin Julia Mayer (DSG Wien) ihren ersten seriösen Marathon mit dem ambitionierten Ziel, den ÖLV-Rekord von 2:30:43 Stunden zu unterbieten (siehe eigenen RunAustria-Vorbericht). Mit Eva Wutti (Club RunAustria), deren VCM-Vorbereitung aufgrund von Herausforderungen in diversen Lebenslagen nicht ideal gelang, hofft auch die zweite österreichische Topläuferin auf einen guten Marathon am Sonntag.
Im Eliterennen der Männer sind der Äthiopier Abdi Fufa sowie die beiden Kenianer Bethwell Yegon und Samwel Mailu die aussichtsreichsten Kandidaten auf den Sieg und eine Siegerzeit unterhalb des Streckenrekord von Getu Feleke aus dem Jahr 2014, 2:05:41 Stunden. Der 27-jährige Fufa ist der einzige Afrikaner im Feld, der eine Bestleistung von unter 2:06 Stunden aufweisen kann. Gelaufen ist er sie bei einem regnerischen Elitemarathon auf einem Flugfeld nahe Siena im Frühjahr 2021. Sein bisher letztes Rennen war der 39. VCM vor einem Jahr, als er sich mit dem achten Platz zufrieden geben musste.
In die Favoritenrolle für Sonntag drängt sich Bethwell Yegon. Der 30-jährige Kenianer wirkte beim heutigen Pressetermin im Austria Trend Hotel Savoyen fokussiert und schilderte seine gute körperliche Verfassung. Seine positive Entwicklung in den Trainingseinheiten veranlasste sein Management den Wettkampfplan für das Frühjahr 2023 zu überarbeiten, mit dem Vienna City Marathon am 23. April fand man den perfekten Ort kombiniert mit dem optimalen Termin. „Aufgrund dieser erfreulichen Entwicklung fühle ich mich bereit für ein gutes Rennen mit einem Top-Ergebnis am Sonntag“, so Yegon.
Sein bisher stärkstes Marathon-Resultat erzielte er 2021 beim Berlin Marathon in einer Zeit von 2:06:14 Stunden. Auf dem Weg zum zweiten Platz hinter dem damaligen Sieger Guye Adola überholte Yegon unter anderem den zurückfallenden Superstar Kenenisa Bekele. „Dieses Ereignis damals hat mein Leben verändert. Es war auch das Ereignis, das mich und meinen Trainer auf unserem Weg bestätigte und bestärkte.“
Sein Landsmann Samwel Mailu hat bereits einen Sieg auf österreichischem Lauf-Boden gefeiert. 2022 siegte er beim Wörthersee Halbmarathon. Beim Frankfurt Marathon in Herbst leistete er einen guten Job als Pacemaker und lief in Absprache mit dem Veranstalter ins Ziel, weil er sich an diesem Tag so gut fühlte. So entstand ein eindrucksvolles Marathon-Debüt in einer Zeit von 2:07:19 Stunden, Platz zwei in der Gesamtwertung des Frankfurt Marathon. Der 30-Jährige ist noch recht frisch in der Laufszene und der einzige Läufer in seiner Familie. Er stammt aus bäuerlichem Umfeld und hat vier Geschwister.
Die ebenfalls recht unerfahrene, 24-jährige Kenianer Titus Kimutai, der eine beachtliche Halbmarathon-Bestleistung von 59:44 Minuten (Kopenhagen 2022) mitbringt, geht in seinen dritten Marathon. Es ist der zweite auf österreichischem Boden nach Platz sieben beim Linz Marathon im Vorjahr. Ein weiterer schneller Halbmarathonläufer mit einer Halbmarathon-Bestleistung von 59:15 Minuten (Barcelona 2022), die herausragende Leistung seiner bisherigen Karriere, ist der Kenianer Elvis Cheboi, der sein Marathon-Debüt angeht.
Mit Sondre Nordstad Moen startet einer der bekanntesten europäischen Marathonläufer beim 40. Vienna City Marathon. Er hat schon zweimal an Olympischen Spielen teilgenommen, der Olympische Marathon in Paris 2024 ist das nächste große Ziel für den Norweger, der einst als „Wunderkind“ in den Langstreckenlauf galt. Der VCM ist auf diesem Weg insofern ein wichtiger Schritt, da der Skandinavier seinen ersten Marathon seit einer Operation an der Ferse im vergangenen Sommer bestreitet. In der Vorbereitung lautete die klare Devise „Vorsicht“, denn Moen hat im Laufe seiner Karriere durchaus negative Erfahrungen mit Überbelastungen und langwierigen Verletzungen gemacht.
Deshalb hat er sich auch für eine konservative Rennstrategie entschieden und möchte am Sonntag in der zweiten Gruppe anlaufen, die ein Tempo für die Erbringung des WM-Limits von 2:09:40 Stunden für den WM-Marathon Ende August in Budapest anvisiert. „Die Operation an der Achillessehne war enorm wichtig, weil ich nun wieder ohne Schmerzen laufen kann. Aber ich benötige viel Geduld in kleinen Schritten, um die Beweglichkeit im Fußgelenk langsam wieder so zu entwickeln, wie es ideal wäre“, erzählte der 32-Jährige.
In seinem stärksten Wettkampfjahr lief Sondre Moen im Herbst 2017 einen Halbmarathon in Valencia unter einer Stunde (59:48), was in der europäischen Szene nach wie vor eine Ausnahmeleistung darstellt, und brach als Sieger des berühmten Fukuoka Marathon den Europarekord. Seine Bestleistung von 2:05:48 Stunden wurde zehn Monate später vom britischen Laufstar Mo Farah als Europarekord abgelöst. Auf diesem Leistungslevel ist Moen zurzeit nicht, er verweist aber auf eine gute Vorbereitung und ein gutes Gefühl, welches ihn hoffen lässt, am Sonntag auf der zweiten Marathon-Hälfte noch genügend Reserven für eine kleine Beschleunigung zu haben. „Ich denke, es wird kein Risiko notwendig sein, eine Zeit um 2:09 Stunden zu laufen. Vielleicht geht ein bisschen mehr!“
Neben zwei Trainingslagern in Kenia trainierte Moen, nach der Ära unter dem italienischen Starcoach Renato Canova aktuell auf Basis seiner persönlichen Erfahrung trainierend, viel in seiner Heimatstadt Trondheim. Dort gab es im Gegensatz zu den Alpenregionen im Winter viel Schnee, aber wechselnde Wetterverhältnisse, die für rutschige und gefährliche Bedingungen auf den Laufwegen sorgten. „Ich war gezwungen, fast alle Einheiten auf dem Laufband zu absolvieren.“
Der dritte starke europäische Läufer in dieser Gruppe neben Moen und Lokalmatador Andreas Vojta (team2012.at) (siehe eigenen RunAustria-Vorbericht) ist der Deutsche Sebastian Hendel, der vor einem halben Jahr in München mit Platz vier in einer Zeit von 2:10:37 Stunden ein starkes Debüt absolvierte. Der von seinem Vater trainierte 27-Jährige ist mit der gebürtigen Kroatin Kristina Hendel verheiratet, die mittlerweile für Deutschland läuft und als EM-Sechste im Marathon 2022 zu den besten Marathonläuferinnen des Landes gehört. Mit einer Halbmarathon-Bestleistung von 1:01:52 Stunden vor drei Wochen in Berlin stimmte er sich mit einer beachtlichen Leistung auf den VCM ein.
Seit vielen Jahren hat sich der VCM als Sprungbrett für Rookies und Debütanten etabliert. Auch in diesem Jahr ist das aus zwei äthiopischen Athletinnen und zwei kenianischen Athleten bestehende OPEC Fund Rookie-Team am Start. Dieses Programm ermöglicht unbekannten Läuferinnen und Läufer die einmalige Chance, ihr Talent auf der internationalen Laufbühne zu präsentieren. „Ohne die großzügige Unterstützung des OPEC Fund wäre dieser internationale Start für die Athleten nicht möglich“, betont deren Manager und Trainer Volker Wagner. „Die Teilnahme an großen Wettkämpfen im Ausland ist ein wichtigen Meilenstein für eine erfolgreiche professionelle Karriere.“