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Natriumbicarbonat – der Booster im Wettkampf

Ein Nahrungsergänzungsmittel als Must-Have im Weltklassebereich der Mittelstrecken: Natriumbicarbonat. Maurten hat seine Verträglichkeit entscheidend optimiert.
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Die besten Mittelstreckenläufer*innen der Welt nehmen vor einem Wettkampf Natiurmbiocarbonat ein. Das Nahrungsergänzungsmittel wirkt als Booster bei fortschreitender Belastung im anaeroben Bereich. Es neutralisiert das Laktat vor dem Abbauprozess und verlängert damit die Leistungsfähigkeit der Muskulatur. Ein Wundermittel oder ein Flügel verleihender Placeboeffekt?

Keely Hodgkinson nimmt es ein. Joshua Cheptegei löffelt es regelmäßig. Faith Kipyegon hat auf dem Speiseplan. Das Who des Who im internationalen Laufsport schenkt ihm höchstes Vertrauen. So auch Kelvin Kiptum bei seinem Marathon-Weltrekord und Kilian Journet bei seinen Ultralauf-Abenteuern. Eliud Kipchoge war sowieso der Pionier, wie bei mehreren sport- und ernährungswissenschaftlichen Fragen der modernsten Art im Laufsport.

Natriumbicarbonat ist das heißeste Nahrungsergänzungsmittel in der Szene. Das Wirkungspotenzial ist auf Basis zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen längst bekannt. Einem schwedischen Unternehmen ist der Durchbruch gelungen, das Nahrungsergänzungsmittel unter drastischer Reduktion von Nebenwirkungen verträglich aufzubereiten. Das hat offenbar einen prosperierenden Prozess in Gang getreten. Und die Nahrungsergänzung im Spitzensport hat einen neuen Star.

Triumphzug mit verträglicher Rezeptur

Die britische Tageszeitung „The Telegraph“ bezeichnete Natriumbicarbonat in einem viel beachteten Artikel vom 23. Juli 2024 als „heiligen Gral“ für die Leistungssteigerung durch Nahrungsergänzung. Wer im Mittelstreckenlauf um Olympia-Medaillen, Spitzenplätze und Rekorde läuft, hat mit großer Wahrscheinlichkeit Natriumbicarbonat als Nahrungsergänzung in die Ernährungs- und Wettkampfvorbereitungsstrategie eingebaut. So die eindeutige Erkenntnis des Berichts. „Ich kann es gar nicht vehement genug empfehlen“, schwärmte Trevor Painter, Trainer von Hodgkinson, darin. Das Wundermittel profitiert von einer recht neuen und wesentlich verträglicheren Rezeptur durch einen schwedischen Experten für Sporternährung, das Unternehmen Maurten.

Flächendeckende Verbreitung im Spitzensport

Österreichs Olympia-Teilnehmer Raphael Pallitsch (SVS Leichtathletik) hält die im Telegraph-Bericht erwähnte Bezifferung, 80% der Olympia-Teilnehmer*innen im Mittelstreckenlauf würden Natriumbicarbonat supplementieren, als Unterschätzung. „Es ist ähnlich wie Koffein. Alle, die es vertragen, nehmen es“, berichtet er aus eigenen Erfahrungen. Mittlerweile gebe es auch Konkurrenzprodukte zu Maurten, die den Sprung zur verträglichen Aufbereitung geschafft haben, wie Pallitsch und sein Schützling Kevin Kamenschak (ATSV Linz LA) beide unabhängig voneinander schildern.

Beide haben Erfahrung mit dem schwedischen Produkt und sehen für sich in der subjektiven Einschätzung den Beleg der Wirksamkeit als erbracht. „Ernährungsphysiologisch ist die Einnahme sinnvoll: wie es wirkt und die Idee, die dahinter steckt“, sagt der Burgenländer und betont auch, dass es durch jahrzehntelange Forschung in den Ernährungswissenschaft ein sicheres Produkt sei und daher keine negativen Erscheinungen bei der Einnahme erkennbar seien. Der Run der Szene auf dieses Nahrungsergänzungsmittel setzte abrupt mit seiner Aufbereitung als Produkt ohne Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt ein, kann auch er bestätigen. Erlaubt ist die Substanz laut WADA-Code.

Länger mit voller Power

Die Idee hinter der Wirkung von Natriumbicarbonat ist eine dem in der Sport- und Trainingswissenschaft im Sinne der Leistungssteigerung vertraute: Als legales, leistungssteigerndes Mittel, das rund 90 Minuten vor dem Wettkampfbeginn eingenommen und vom Körper zwischengespeichert wird, hilft es unter Höchstbelastung den Blutfluss zu optimieren, die aus der Muskulatur entweichende Milchsäure zu neutralisieren und damit die Übersäuerung der Zellen hinauszuzögern oder idealerweise bis zum Ende der Belastung zu verhindern. Laktat, ein Stoffwechselprodukt, das beim Abbau von Traubenzucker, also der verwerteten Energie, unter anaeroben Bedingungen, also Hochbelastung, entsteht, bleibt länger im Blut und gelangt nicht in die Zellen, wo es abgebaut werden soll.

Dieser Prozess führt im Optimalfall dazu, dass die Muskulatur auf höherer Intensität performen kann und das über einen längeren Zeitraum. Gleichzeitig wird die Ermüdung hinausgezögert. Umgelegt auf die Laufdistanz: Der Körper kann unter Hochbelastung länger schnell laufen und ermüdet später. Pallitsch meint, die Belastung des Wettkampfs fühle sich nicht anders an, egal ob mit oder ohne Natriumbicarbonat-Einnahme davor. Aber der leistungssteigernde Effekt funktioniere. Ein verlockendes Versprechen in einer Disziplin, in der einzelne Sekunden, oder oft gar Bruchteile davon, schon riesige Unterschiede bedeuten.

Der Körper produziert Natriumbicarbonat übrigens selbst, um Nebenprodukte des anaeroben Stoffwechsels abzubauen. Allerdings in unbedeutenden Mengen für Spitzensportler*innen. Die künstliche Zufuhr über gezielte Nahrungsergänzung ermöglicht die unter Hochbelastung erwünschten, leistungssteigernde Wirkung.

Ein Game-Changer

Der kanadische Sportwissenschaftler und Sportjournalist Alex Hutchinson berichtete auf der Plattform „Outside Outline“ über das Beispiel seines Landsmanns Marco Arop. Der Weltmeister von 2023 im 800m-Lauf der Männer erfuhr vom Hype um die Nahrungsergänzung und entschied sich, Natriumbicarbonat wenige Wochen vor den Olympischen Spielen erstmals zu verwenden. Zeitgleich schien er aufgrund einer immensen Entwicklung in der globalen Szene ins Hintertreffen abzurutschen. Bei der Olympia-Generalprobe in Monaco landete er nur auf Platz sechs, auch in den Jahreslisten lag er nicht ganz vorne.

Bei den Spielen in Paris aber war der Kanadier konkurrenzfähig: Zur Rennhälfte noch auf dem letzten Platz liegend stürmte der Kanadier noch zur Silbermedaille und verpasste den Sieg mit seinem neuen nordamerikanischen Kontinentalrekord von 1:41,20 Minuten gerade einmal um eine Hundertstelsekunde im Zweikampf mit dem Kenianer Emmanuel Wanyonyi. Arop zu Hutchinson: „Es wirkt Wunder!“

Ein phänomenales Jahr

Der 800m-Lauf der Männer erlebte im Jahr 2024 einen unglaublichen Aufschwung, der auch etliche Fachleute erstaunte. Zehn Athleten liefen heuer eine Zeit unter 1:42,50 Minuten. In den letzten zehn Jahren davor schafften das summiert lediglich vier: der nachher wegen Dopings für drei Jahre gesperrte Nijel Amos (2014, 2018, 2019), der zweifache Olympiasieger David Rudisha (2016), Emmanuel Korir (2018) und der amerikanische Weltmeister Donavan Brazier (2019).

Acht der schnellsten 14 800m-Läufer aller Zeiten haben ihre Bestleistung im Jahr 2024 aufgestellt. Fünf der schnellsten elf und elf der schnellsten 18 800m-Zeiten der Geschichte wurden im vergangenen Sommer erzielt. Olympiasieger Wanyonyi unterbot in der diesjährigen Wettkampfsaison gleich viermal die Marke von 1:42 Minuten, Silbermedaillengewinner Arop gelang das dreimal, genauso wie Bronzemedaillengewinner Djamel Sedjati. Vergleichbares gab es bisher nur in den Hochzeiten des jungen David Rudisha sowie der besten Wettkampfsaison von Wilson Kipketer 1997 – also die beiden besten 800m-Läufer der Geschichte, die jeweils eine Ära geprägt haben.

Die Macht der zweiten Runde

Das alles sind statistische Befunde, die ein außergewöhnliches Jahr in dieser Disziplin, der kürzesten Mittelstrecke, darstellen. Die Explosion der Leistungen kam auch deshalb unerwartet, da der 800m-Lauf in den Jahren 2020 bis 2023 (als auch schon so genannte Superschuhe auf der Bahn zur Verfügung standen, Anm. d. Red.) vier der fünf langsamsten Weltjahresbestleistungen seit Mitte der 2000er produziert hat.

Ist der massive Umschwung also eine Entwicklung, die von Natriumbicarbonat forciert wurde? Zumal „Let’sRun.com“ daran erinnert, dass Rudisha und Kipketer ihre besten Zeiten auf Basis astronomischer Startrunden gelaufen sind, während im historisch schnellen Olympischen Finale von Paris 2024 reihenweise deutliche Negativsplits aufgestellt wurden. Marco Arop ist überzeugt davon, wie er gegenüber World Athletics sagte. Der Kanadier knallte in Paris eine Schlussrunde von 50,1 Sekunden auf die Bahn, der Algerier Sedjati eine von 50,5 Sekunden. Vergleichbares sucht man in der Geschichte vergeblich: Nie waren 800m-Läufer auf den letzten Metern noch so top in Schuss wie die beiden.

Enormes Potenzial bei gutem Wissensstand

Die Sportwissenschaft geht davon aus, dass der Effekt der Supplementierung durch Natriumbicarbonat im Laufsport besonders auf längeren intensiven Anstrengungen wirksam wird. Wie zum Beispiel auf den Mittelstrecken, wo über wenige Minuten höchstintensive Belastungen erforderlich sind, um schnell und erfolgreich zu sein. Eine Leistungssteigerung im Bereich von 1–3% soll durch gezielte und fortdauernde Supplementierung realisierbar sein. An der Weltspitze ist das ein enormer Unterschied – einer, der die Welt bedeuten kann, liest man.

Pallitsch bezweifelt diese Zahlen, die für eine Klassifizierung als ein Wundermittel locker ausreichen würden. Der Wirkungsbereich sei ziemlich umstritten. Unumstritten ist allerdings das allgemeine Streben nach noch so minimalen Leistungssteigerungsmöglichkeiten im System Profisport, in dem wenige Hundertstelsekunden – oder im konkreten Fall eines 1.500m-Laufs jedes Zehntel km/h mehr Geschwindigkeit im Endspurt – den Unterschied zwischen Ruhm und Ehre auf der einen sowie dem Mittelfeld auf der anderen Seite bedeuten können.

Prinzipiell sind die Erkenntnisse hinsichtlich eines leistungssteigernden Effekts überzeugend und in der Sportwissenschaft schon länger bekannt. Schließlich zählt Natriumbicarbonat zu den am besten erforschten Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt mit einer Studienhistorie, die bis ins Jahr 1930 zurückgeht und in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erstmals besondere Aufmerksamkeit in der Sportwissenschaft erhielt (vgl. Studie im Journal of International Society of Sports Nutrition).

Ein Haushaltsmittel

Natriumbicarbonat ist auch als Backsoda bekannt. Als einer der Hauptbestandteile von Backpulver ist es daher in fast jedem unserer Haushalte heimisch. In der Medizin wird Natriumcarbonat, eine chemische Verbindung, die als kristallähnlicher, weißer Feststoff oder seltener als feines Pulver auftritt, verwendet, um Sodbrennen, Verdauungsstörungen und sauren Reflux zu lindern. Denn es neutralisiert die Magensäure.

Weshalb Natriumbicarbonat bisher seinen Durchbruch im Sport nicht geschafft hat, liegt an einem gängigen Problem. Die Verträglichkeit entsprechender Nahrungsergänzungsmittel war unzureichend: Belastungen im Verdauungstrakt und Beschwerden wie Krämpfe, Übelkeit oder Durchfall löschten den leistungssteigernden Effekt locker wieder aus. Dem schwedischen Unternehmen Maurten ist es mit einem Mix von Mini-Kügelchen Natriumbicarbonat und einem geleeartigen Hydrogels zum Löffeln gelungen, diese Nebenwirkungen stark einzugrenzen. Damit scheint die entscheidende Hürde genommen, die Natriumbicarbonat als Nahrungsergänzungsmittel im Sport dem rasanten Durchbruch ermöglicht hat.

Verträglichkeit als Auslöser eines Booms

Das bestätigt auch eine kürzlich publizierte Studie der britischen Wissenschaftler Lewis Gough und Andy Sparks. Seither ist das Nahrungsergänzungsmittel offenbar der Renner in der Szene, auch über die Mittelstrecken hinaus. Unter Berufung auf das Unternehmen Maurten sollen bereits bei den Weltmeisterschaften 2023 zwei von drei Medaillengewinner*innen Kund*innen gewesen sein. Pallitsch gewann bei seinem Aufenthalt bei den Spielen in Paris im Austausch mit Sportkolleg*innen den Eindruck, dass der Laufsport und der Radsport bei der Verwendung von Natriumbicarbonat den anderen Sportarten weit voraus sind.

Generell steht Natron nicht auf der Dopingliste, sofern nicht intravenös verabreicht. Bei Pferdewettrennen ist die Einnahme bei Tieren nicht erlaubt. Die jüngsten Erkenntnisse und Erzählungen von Athlet*innen hieven Natriumbicarbonat in die Sonnenregionen der Hitliste der beliebtesten legalen leistungssteigernden Substanzen im Spitzensport.

Keine Gefahr gibt es im übrigen für einen hyperinflationären Einsatz, etwa zusätzlich zu Wettkämpfen auch im Training: Erstens wirkt Natriumbicarbonat singulär in Wettkämpfen gut, zweitens ist das Nahrungsergänzungsmittel selbst für Profisportler*innen wahnsinnig teuer. Das limitiert auch die potenzielle Verbreitung im Freizeitsport, wo der Kampf um einzelne Prozentpunkte in der Leistungsfähigkeit weit nicht die Bedeutung hat wie im auf allen Ebenen ausgereizten Spitzensport.

Wichtige Quelle: Jozo Grgic et.al.: International Society of Sports Nutrition position stand: sodium bicarbonate and exercise performance. Veröffentlicht in „Journal of the International Society of Sports Nutrition, 18, 61, 2021. (https://jissn.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12970-021-00458-w)

Autor: Thomas Kofler
Bild: © Nature Friend / Pixabay – Symbolbild

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