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Marathon-Debüt für Cheptegei, Bekele und viele Top-Läufer

Das Marathon-Debüt von Joshua Cheptegei ist die große Story des diesjährigen Valencia Marathon, das Comeback des 41-jährigen Kenenisa Bekele die überraschende. Ein enorm besetztes Elitefeld lässt viele spannende Ereignisse am Sonntag erwartet, auch mit europäischen Athleten und dem Olympia-Limit von 2:08:10 Stunden. ÖLV-Rekordläufer Peter Herzog läuft einen lockeren Marathon, um Motivation für kommende Ziele aufzunehmen.
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Joshua Cheptegei ist dreifacher Weltmeister im 10.000m-Lauf, Olympiasieger im 5.000m-Lauf, Weltrekordhalter auf beiden Distanzen. Und mit 27 im besten Wettkampfalter. Das sind die Fakten. Auch, dass Cheptegeis Halbmarathon-Bestleistung von 59:21 Minuten, erzielt vor drei Jahren als Vierter bei der Halbmarathon-WM, in heutigen Zeiten nicht zur Güte der Weltklasse reicht. Und dass die Erfahrung bei Straßenläufen noch überschaubar ist. Es gibt viele Gründe dafür, dem Ugander ein spektakuläres Debüt auf der Traditionsdistanz zuzutrauen. Manche ziehen sogar den Streckenrekord von Vorjahressieger Kelvin Kiptum von 2:01:53 Stunden als Referenz zu Rate, ein enorm hohes Ziel. Cheptegei ist freilich einer der besten Bahnläufer aller Zeiten, Kiptum hat aber mittlerweile das Niveau, ernsthaft darüber nachzudenken, ob er beim Rotterdam Marathon 2024 in der Lage sein wird, die Schallmauer von zwei Stunden anzugreifen.

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Mit kontrolliertem Risiko auf Rekordjagd

Neues Abenteuer

Es gibt aber auch Gründe, Cheptegeis aufregendes Marathon-Debüt mit leicht gezogener Handbremse zu erwarten. Er selbst ist jedenfalls bemüht, den Ball flach zu halten. Erstens hat er nach den Weltmeisterschaften von Budapest das Ziel ausgegeben, bei den Olympischen Spielen 2024 die Goldmedaille in seiner Spezialdisziplin, dem 10.000m-Lauf, holen zu wollen. Das Marathon-Debüt in Valencia sei vorerst dafür da, Erfahrungen für die Zukunft nach Paris 2024 zu sammeln. Es könnte aber auch einen Plan B eröffnen, schließlich sind Olympische Marathon-Entscheidungen immer vom Meisterschaftsrenncharakter geprägt. Cheptegei gab im Vorfeld kein Zeitziel aus, die Erfahrungswerte stünden im Vordergrund und er würde gerne in die Top-Drei laufen – es sei ein neues Abenteuer. Das berichtete unter anderem die spanische Sportzeitung „Marca“. Wie besonders das Marathon-Debüt des Uganders ist, ermittelte die US-Laufplattform „Let’s Run.com“ mit einer historischen Recherche. Erst viermal absolvierte ein amtierender Weltrekordhalter im 5.000m- und 10.000m-Lauf in einem Marathon, es ist eine Auflistung absoluter Größen: Emil Zatopek, Lasse Viren, Haile Gebrselassie und zuletzt Kenenisa Bekele beim Paris Marathon 2014 – Zatopek, 1952 bei den Olympischen Spielen, und Bekele gewannen bei ihrem Debüt.

Ob die Vorbereitung auf den Valencia Marathon nach Wunsch gelang, ist zweitens ebenfalls fraglich. Bei einem internationalen Medientermin beklagte der 27-Jährige vor zwei Wochen die tiefen Bodenverhältnisse im Trainingslager in Kapchorwa in der Höhe Ugandas. Außerdem war er aufgrund einer Fußverletzung später als geplant in den Trainingszyklus eingestiegen. Einen Motivationsschub erhält der Star durch den Austragungsort: „Die Wahl konnte nur auf Valencia fallen. 2020 bin ich hier den Weltrekord im 10.000m-Lauf gelaufen. Valencia meint für mich immer große Aufregung und hohe Erwartungen.“ Eine interessante Randnotiz: Cheptegei kündigte an, in Valencia mit einem Vaporfly-Modell laufen zu wollen, da er sich darin wohler fühle als im neueren Alphafly (vgl. Race Results Weekly).

RunAustria TV-Tipp: Der Valencia Marathon wird am Sonntag ab 8 Uhr live auf Eurosport 2 übertragen. Außerdem läuft ein Livestreaming auf der Plattform streamster.

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Kandie und Mutiso – zwei hoffnungsvolle Kenianer

Es sind große Namen, die mit Cheptegei gemeinsam an der Startlinie stehen. Zehn Läufer haben eine Bestleistung unter 2:05 Stunden, der Ugander zählt als Debütant ebenso wenig dazu wie der ehemalige Halbmarathon-Weltrekordhalter Kibiwott Kandie. Der Kenianer könnte beim Valencia Marathon seinen Durchbruch in dieser Disziplin feiern, denn sein bisher einziger Marathon 2021 in New York gelang nicht. Zuletzt machten ihm immer wieder Verletzungen zu schaffen, aber sein glorreicher Sieg beim Valencia Halbmarathon vor sechs Wochen in einer absoluten Spitzenzeit von 57:40 Minuten lässt die Erwartungen steigen.

Die Kenianer haben mit Alexander Mutiso einen weiteren Siegkandidat im Rennen. Dessen frenetisches Marathon-Debüt vor einem Jahr in der südostspanischen Hafenstadt in einer Zeit von 2:03:29 Stunden ging nur deshalb etwas unter, weil Kiptums Debüt noch einmal phänomenaler war. Aber diese Leistung war ebenfalls eine besondere Ansage, im Frühjahr 2023 überzeugte der 27-Jährige mit seinem Sieg beim Prag Marathon. Außerdem gibt mit Stephen Kiprop ein Läufer sein Marathon-Debüt, der eine deutlich bessere Halbmarathon-Bestzeit als Cheptegei aufweisen kann. Zu den Top-Athleten im Feld gehören auch Gabriel Geay, Landesrekordhalter aus Tansania, die Äthiopier Sisay Lemma, London-Sieger von 2021, und Landsmann Leul Gebrselassie, der 2018 in Valencia gewonnen hat, sowie der exzentrische Südamerikarekordhalter Daniel do Nascimento.

Bekeles letzte Chance?

Der prominenteste Name im Feld ist freilich jener von Kenenisa Bekele, der mit einer Bestleistung von 2:01:41 Stunden auch die Meldeliste anführt. Ob der 41-Jährige aber jemals noch in der Form sein wird, um in der Marathon-Weltklasse mitzulaufen, ist bei aller Vorsicht fraglich. Vor einem Jahr in London blieb er knapp unter 2:06 Stunden, diesen Masters-Weltrekord ist er mittlerweile an den Schweizer Tadesse Abraham losgeworden. Die letzte Marathonzeit, die ihn für Topplatzierungen qualifiziert, ist schon vier Jahre her, damals, als er in Berlin den damaligen Weltrekord von Eliud Kipchoge gerade einmal um zwei Sekunden verpasst hat. Der in die Öffentlichkeit transferierte Optimismus ist freilich noch da. In einem Interview mit der Kommunikationsabteilung des IOC wiederholte er, er habe sein Maximum im Marathon noch nicht erreicht und führte die Durststrecke der letzten Jahre auf physische Probleme zurück. Er wolle auf jeden Fall an den Olympischen Spielen von Paris teilnehmen. Nach der Trennung mit seinem jahrelangen Ausrüster Nike steht auch eine effektive PR-Aktion als Möglichkeit im Schaufenster, Bekele wird von einem chinesischen Unternehmen namens Anta ausgerüstet.

„In einem vor-olympischen Jahr hat der Valencia Marathon immer das stärkste Feld der Welt. Dutzende Athleten wollen bei uns das Olympia-Ticket sichern, nationale Rekorde aufstellen und Spitzenzeiten erreichen. Valencia ist einmal mehr die Ciudad del Running“, strotzt Athleten-Koordinator Marc Roig nur so vor Selbstvertrauen. Nicht nur die Qualität gelingt, sondern auch die Quantität. Rund 33.000 Anmeldungen, davon gut die Hälfte aus Spanien, mit 130 unterschiedlichen Nationalitäten gingen für den Marathon ein, ein deutlicher neuer Veranstaltungsrekord, der deutlich untermalt, wie rasant der Event in Valencia auf diversen Ebenen in die Marathon-Weltspitze aufgestiegen ist. Das italienische Laufmagazin „Correre“ berichtet auf seiner Website von 2.174 italienischen Anmeldungen, womit der Valencia Marathon in diesem Jahr New York als traditionell stärkst besetzten Marathon der italienischen Laufszene außerhalb der eigenen Landesgrenzen ablösen könnte.

Europameister jagt Bestleistung

Im Marathon-Herbst 2023 ist der Valencia Marathon auch die Anlaufstelle für viele der starken Europäer. Angeführt wird das europäische Feld von Frankreichs Rekordhalter Morhad Amdouni. Der beste Spanier im Feld ist Tariku Novales, der bei einer Bestleistung von 2:07:18 Stunden hält und damit nicht so weit vom spanischen Rekord von Ayad Lamdassem (2:06:25) entfernt ist. Europameister Richard Ringer hat das Olympia-Ticket zwar bereits durch seine Leistung beim Hamburg Marathon im April in der Tasche, möchte seine Position aber mit einer neuen persönlichen Bestleistung verbessern. In nationaler Konkurrenz um die Positionen hinter dem deutschen Rekordhalter Amanal Petros steht er in Valencia auch in direkter Konkurrenz zu Haftom Welday, der das Olympia-Limit anstrebt.

Mayo verschiebt Marathon-Debüt

Eine große Geschichte aus spanischer Sicht wäre das Marathon-Debüt von Carlos Mayo gewesen. Der 28-Jährige bestach beim Halbmarathon vor sechs Wochen mit einem sensationellen spanischen Landesrekord in einer Zeit von 59:39 Minuten. Laut der spanischen Plattform von „Runner’s World“ litt der Athlet nach der Belastung seines Halbmarathons an Beschwerden im linken Knie, welche ihn das Marathon-Training nicht vollumfänglich wieder aufnehmen ließen. Präventiv entschied er sich, kein Risiko zu gehen und sein Marathon-Debüt auf den Sevilla Marathon im Februar 2024 zu verschieben.

Was das für Mayos Olympia-Chancen bedeutet, ist mit Fragezeichen behaftet. Ende Jänner, also vor Sevilla, will World Athletics 64 der 80 Startplätze bereits den nationalen Verbänden zuteilen, gegenwärtig sind 52 Startplätze über Direktlimits fixiert. Mit Novales, Ayad Lamdassem und Abdelaziz Merzougui, der ebenfalls in Valencia laufen wird, haben drei Spanier das Olympia-Limit bereits in der Tasche, die der nationale Verband theoretisch mit 1. Februar fix nominieren könnte. Vier weitere spanische Läufer liegen derzeit aussichtsreich in der Weltrangliste.

Ein Marathon zum Genießen für Herzog

Im Konzert der guten Europäer würde Peter Herzog (Union Salzburg LA) nur allzu gerne mitspielen. Doch nach einer Serie von Verletzungen und Beschwerden, die letzte unmittelbar nach seinem Titel bei den Österreichischen Meisterschaften im 10km-Lauf in Salzburg, fehlen dem Pinzgauer etliche Trainingskilometer und die Basis für einen Marathon auf Top-Niveau. Ein Fakt, der ihn nach dieser Leidenszeit nervt. Doch der 36-Jährige schöpft neue Motivation und visiert am Wochenende ein Marathon-Erlebnis der anderen Art an. „Ich will ein schönes Marathon-Wochenende erleben. Valencia ist eine tolle Stadt, es ist eine tolle Veranstaltung und daher freue ich mich auf Sonntag. Ausschließlich der Laufgenuss soll im Vordergrund stehen!“ Ambitionen oder Ziele hat Herzog keine, er frage sich selbst, was am Ende auf der Zeitentafel stehen werde. Ausschließen kann er lediglich eine Zeit im Bereich seiner schnellsten Marathons.

Jedenfalls soll der Valencia Marathon eine Art Neustart-Zeitpunkt für neue Ziele im Jahr 2024 sein, wie er unlängst in einem Interview mit der Kronenzeitung bekannt gab, wohl sein letztes Jahr als Profi. Definieren will er diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht, nur den wichtigsten Wunsch: „Ich will gesund durch den Winter kommen.“ Dafür gibt es gute Anzeichen: Erstens blieb der Pinzgauer erstmals seit Jahren im Herbst von Infektionen verschont, obwohl das in seinem direkten Umfeld nicht leicht war. Zweitens trainiert er aktuell mit gezielten physiotherapeutischen Maßnahmen schmerzfrei. Kurzum: „Ich bin weit weg von topfit, aber ich fühle mich so gut wie lange nicht mehr.“

Ein neuer Rahmen

Seit heute ist der ÖLV-Rekordhalter im Marathon nicht mehr beim Bundesheer angestellt, was in den letzten Wochen und Monaten einen Prozess der Lebensumgestaltung mit neuen beruflichen Aufgaben in Gang gesetzt hat. Der Familienvater studiert seit Oktober Sportwissenschaften an der Universität in Salzburg. „Es taugt mir voll, besonders inhaltlich, aber der Alltag ist enorm fordernd. Der große Vorteil sind die sehr guten Trainingsbedingungen am Olympiastützpunkt in Rif, praktisch direkt vor der Haustür. Aber die Tage sind in dieser Jahreszeit kurz, um die ganzen Lehrveranstaltungen zwischen den beiden Trainingseinheiten einzuschieben“, schmunzelt er. Gemeinsam mit dem besseren gesundheitlichen Gefühl verleihe ihm das Studium aber positive Impulse für das mentale Setting, ein wesentlicher Baustein Richtung Wettkampfjahr 2024.

Valencia Marathon Trinidad Alfonso

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