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Wie so häufig in den letzten Jahren, wenn Soufiane El Bakkali bei einem großen Rennen am Start ist – und das kommt gar nicht so oft vor, demonstrierte er seine Überlegenheit am letzten Wassergraben. Es ist eine Augenweide, ihm in der entscheidenden Phase eines solchen Wettkampfs zuzuschauen. Er positionierte sich eingangs der letzten Kurve auf der Außenseite, um perfekte Sicht nach vorne zu haben. Beschleunigte vor dem Wassergraben, erreichte mit der richtigen Schrittlänge den Absprungmoment, segelte über Hindernis und Wassergraben und landete mit seinen langen Beinen perfekt erst ganz hinten, so dass er mit möglichst geringem Stauchmoment mit kleinen Schritten sofort in eine Beschleunigungsphase überging. Mit diesem wenige Sekunden dauernden Manöver überholte El Bakkali seine Hauptkontrahenten Conseslus Kipruto und Lamecha Girma und machte so viel Boden wett, dass er bereits mit einer kleinen, entscheidenden Lücke nach hinten auf die Zielgerade einbog. Der Triumph war ihm in einer Zeit von 8:25,13 Minuten nicht mehr zu nehmen. Der äthiopische Rekordhalter schob sich 100 Meter vor dem Ziel an Kipruto vorbei und gewann wie schon bei der WM in Doha 2019 und den Olympischen Spielen 2020 in Tokio die Silbermedaille.
17 Jahre, nachdem Kenia in Helsinki letztmals nicht den WM-Titel im 3.000m-Hindernislauf gewonnen hatte, konnte der Titelverteidiger das Ende der Serie nicht verhindern. In seiner ersten richtigen Wettkampfsaison seit 2018 (vor der WM 2019 war er lange verletzt) ist der Kenianer aber auf dem Weg zurück nach oben und dürfte der Bronzemedaille, die er im Duell mit Getnet Wale gewann, Positives abgewinnen. Immerhin ist Kenia damit seit inklusive 1991 immer mit einem Athleten auf dem WM-Stockerl vertreten.
„Ich bin glücklich, das Rennen war nicht einfach, weil es sehr taktisch geprägt war und ein langsames Tempo vorsah. Aber meine letzten 400 Meter waren wirklich stark, ich habe mich optimal positioniert“, resümierte der 26-Jährige, der in seiner Heimat längst ein Nationalheld ist – in der gegenwärtigen Generation der marokkanische Laufstar schlechthin. Er besorgte die erste marokkanische WM-Medaille seit dem Marathonläufer Jaouad Gharib 2005 in Helsinki. El Bakkali, der erst zum zweiten Mal in die USA reiste (das erste Mal war zur Junioren-WM vor acht Jahren, ebenfalls nach Eugene, wo er als Vierter leer ausging), hat nun nach dem dritten WM-Medaillengewinn in Serie einen kompletten Medaillensatz zu Hause. Zu seinem vollkommenen Trophäenschrank fehlt ihm nun noch ein Diamond-League-Gesamtsieg und ein Titel bei den Afrikameisterschaften. Die Chance für den Diamond-League-Gesamtsieg bietet sich bereits in zwei Monaten in Zürich, wo er im letzten Jahr als frisch gebackener Olympiasieger völlig überraschend dem Kenianer Benjamin Kigen den Vortritt lassen musste. Die Afrikameisterschaften 2022 ließ El Bakkali wie die meisten afrikanischen Langstreckenstars gut einen Monat vor der WM aus, 2018 hatte er Silber hinter Kipruto gewonnen. Dass ein aktueller Olympiasieger auch Weltmeister wird und beide Titel gleichzeitig hält, ist im 3.000m-Hindernislauf aufgrund der Dominanz der kenianischen Stars Ezekiel Kemboi und Conseslus Kipruto in den letzten Jahren im Übrigen Gang und Gebe.
4. Getnet Wale (Äthiopien) 8:28,68 Minuten
5. Abraham Kibiwot (Kenia) 8:28,95 Minuten
6. Evan Jager (USA) 8:29,08 Minuten
7. Yemane Haileselassie (Eritrea) 8:20,40 Minuten
8. Hillary Bor (USA) 8:29,77 Minuten
9. Daniel Arce (Spanien) 8:30,05 Minuten
10. Hailemaryiam Tegegn (Äthiopien) 8:31,54 Minuten
11. Avinash Mukund Sable (Indien) 8:31,75 Minuten
12. Ahmed Abdelwahed (Italien) 8:33,43 Minuten
13. Mehdi Belhadj (Frankreich) 8:34,49 Minuten
14. Sebastian Martos (Spanien) 8:36,66 Minuten
15. Leonard Bett (Kenia) 8:36,74 Minuten
Als Lamecha Girma auf die vorhersehbare Attacke von El Bakkali am Wassergraben reagierte, war es längst zu spät. Der im Schlussspurt im Duell mit seinem Dauerrivalen prinzipiell mit schlechteren Karten ausgestattete 21-Jährige konnte entlang der Zielgerade keine Wende mehr herbeiführen. Da das Rennen bei nicht einfachen Bedingungen, 26°C. Lufttemperatur und etwas Wind, ziemlich langsam startete und bis zur finalen Phase nie richtig Schwung aufnahm, mag die Frage erlaubt sein, mit welcher Strategie der Äthiopier das Rennen denn gewinnen hätte wollen. Als er erstmals in Führung ging, schleppte sich das Feld in einer Zeit von 2:58 Minuten über die Zwischenzeit bei 1.000m. Richtig schneller wurde es erst, als Yemane Haileselassie die Spitze 500 Meter vor dem Ende übernahm. Doch da war das Silbertablett für El Bakkali, der stets im vorderen Mittelfeld lief, bereits angerichtet. Im Ziel zeigte er sich enttäuscht: „Die Pace war sehr langsam heute. Meine Taktik funktionierte nicht, das hat mich Gold gekostet.“ Sein Erklärungsversuch: „Ich versuchte meine Taktik an das Rennen anzupassen, aber die Pace limitierte mich ziemlich.“ Die zitierte Pace führte übrigens zur langsamsten WM-Siegerzeit der Geschichte und das nur 20 Minuten vor der Show von Faith Kipyegon (siehe RunAustria-Bericht).
Conseslus Kipruto war das gemächliche Tempo anscheinend recht, er justierte das Feld in der ersten Runde genau so, ließ dann den Spanier Sebastian Martos gewähren und übernahm selbst zu Rennmitte wieder die erste Position. Dass der Kenianer momentan weder in einem schnellen Rennen noch in einem mit dem Gipfel auf den letzten 200 Metern eine Chance gegen El Bakkali haben würde, war zu erahnen. Doch der 27-Jährige wehrte sich, visierte als Führender den letzten Wassergraben an und wollte augenscheinlich einen langen Kick zünden. Doch dann musste er Girma vorbeilassen und das letzte Quäntchen Hoffnung auf eine Sensation war zerplatzt. Dennoch zeigte Kipruto mit dem Medaillengewinn vor Getnet Wale und seinem Landsmann Abraham Kibiwot, die die besseren Saisonergebnisse als der Kenianer aufweisen konnten, dass mit ihm wieder zu rechnen ist.
Zurück auf der großen Bühne ist auch der US-Amerikaner Evan Jager, der fünf Jahre nach seinem letzten globalen Meisterschaftsrennen mit Bronze in London 2017 als Sechster ins Ziel kam. Zu einer Medaille fehlte gut eine Sekunde, auffallend war aber, dass der mit 33 Jahren älteste Teilnehmer in diesem Finalfeld ein ganz gutes Finish fabrizierte. Denn als die entscheidende Phase begann, lag der US-Amerikaner noch am Ende der kompakten Gruppe. Sowohl Jager als auch der zweitbeste Lokalmatador auf Rang acht, Hillary Bor äußerten sich gegenüber „Let’sRun.com“ enttäuscht über das Rennen und sahen den Rennverlauf als suboptimal für sich. Bester Europäer der Spanier Daniel Arce als Neunter.
Die Pechvögel des Tages waren der Äthiopier Hailemariyam Tegegn und der Kenianer Leonard Bett, die beide an einem Hindernis zu Sturz kamen und daher nicht um die Spitzenplätze mitkämpfen konnten. Die kurioseste Szene des Wettkampfs war aber eine andere: In der Anfangsphase stand ein Kameramann, der offenbar das Dreispringen verfolgte, mitten auf Laufbahn Nummer eins, mit dem Rücken zu den Läufern. Noch bevor er seinen Faux-pas bemerkte, hatte sich das Feld bereits achtsam links und rechts an ihm vorbeigeschmiegt. Puh, gut ausgegangen!